Wenn Jugendliche plötzlich introvertiert und schweigsam werden

ALARM!!!

Wenn Jugendliche plötzlich introvertiert und schweigsam werden, dann klingeln bei mir Alarmglocken!

Phasen der Nachdenklichkeit können vorkommen und zur normalen Entwicklung gehören. Eine gewisse ‚Maulfaulheit‘ gehört zur Pubertät ebenfalls oft dazu: „Lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!“. Speziell für extrovertierte Eltern sind diese Eigenheiten vielleicht nicht ganz nachvollziehbar. Doch wenn ein Jugendlicher im Großen und Ganzen ‚offen‘ bleibt, sich bei Nachfragen zugänglich zeigt, dann kann sich das alles im grünen Bereich bewegen. Gerade wenn dieser Jugendliche schon als Kind eher ruhig war, sind solche Rückzüge nicht unbedingt ein Grund zu großer Besorgnis. Doch je stärker die Verhaltensänderung und Abweichung vom Grundcharakter, desto lauter bimmelt die Glocke.

Verschließt sich ein Jugendlicher und macht völlig dicht, dann sehe ich die Gefahr, dass da jemand versucht, ganz viel mit sich selbst auszumachen – mehr als er eigentlich kann. Gerade in der Pubertät gehören Diskussionen zum wachsen und reifen dazu. Ziehen sich Jugendliche hier völlig raus, fehlen die notwendigen Anstöße von außen. Noch schlimmer wird es, wenn so ein Rückzug dann von unliebsamen Begleiterscheinungen in Form von Alkohol oder Drogen verstärkt wird. Besteht hier ein begründeter Verdacht, dann bitte Hilfe von außen dazuholen. Mehr zu diesem Aspekt gibt es im Interview mit Steffen Flügler nachzulesen. Er führt insbesondere folgende Warnsignale auf:

-Wechsel des Freundeskreises

-Schulischer Einbruch

-Vernachlässigung der Interessen (z.B. früher nachgegangenen Hobbys)

-Extreme Unzufriedenheit, Aggression, Niedergeschlagenheit oder ähnliche Emotionen

-Stimmungsschwankungen

-Rückzug aus dem sozialen Umfeld

-Geheimniskrämerei

-Lügen

-Chronischer Geldmangel

Wirkt der Jugendliche in seiner Zurückgezogenheit auch noch antriebsschwach oder traurig, sollte ggf. auch eine depressive Episode ausgeschlossen werden. Auch diffuse Kopf- oder Bauchschmerzen können in diese Richtung deuten.

Doch malen wir den Teufel nicht an die Wand. Als relativ normal betrachte ich die Tatsache, dass häufig das Elternhaus an Einfluss verliert und nicht mehr als Hauptansprechpartner betrachtet wird und sich Jugendliche hier zurückziehen. Umso wichtiger, dass Jugendliche andere, erwachsene Bezugspersonen haben. Ob nun aus der Verwandschaft, der Nachbarschaft oder auch der Jugendpflege – es ist notwendig, dass Jugendliche irgendjemanden, besser noch mehrere Personen zum Reden und Diskutieren haben:

  • Menschen, die Ansprechpartner sein können und wollen und gleichzeitig so gefestigt sind, dass sie eine halbwegs sinnvolle Orientierung bieten können.
  • Menschen, die anders ticken als die Eltern, aber trotzdem nicht in vollkommen anderen Sphären unterwegs sind.
  • Menschen, die älter sind als die Eltern und eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen können, gerade auch, weil sie nicht in den Alltagsbetrieb eingebunden sind.
  • Menschen, die andere Prioritäten setzen als die Eltern.

Jugendliche suchen Orientierung, brauchen das Gefühl, ernst genommen und wertgeschätzt zu werden – nicht nur von den Eltern, bzw. gerade auch dann, wenn es Konflikte mit den Eltern gibt.

Natürlich ist vieles einfacher, wenn in der näheren Umgebung eine Tante/ein Onkel, Oma oder Opa leben und der Draht zum Kind im besten Fall auch da ist. Aber auch wenn nicht, dann findet sich sicherlich irgendwo jemand – umso einfacher dann, wenn schon das jüngere Kind Kontakte zu Erwachsenen aufbauen und pflegen darf. Ob nun zur netten älteren Nachbarin mit dem niedlichen Hund, dem verschrobenen Künstler am Ende der Straße oder dem Musikfreak mit den langen Haaren. Gerade Kinder, die eher zu den stilleren Zeitgenossen gehören, pflegen in der Regel gerne Kontake zu Erwachsenen, geben Sie ihnen diese Chance.

Und zu guter Letzt – versuchen auch Sie bitte immer wieder behutsam in Kontakt mit Ihrem Jugendlichen zu kommen und zu bleiben. Sprechen Sie mit ihm, auf Augenhöhe und wertschätzend. Entdecken Sie den jungen Erwachsenen in Ihrem Gegenüber!

Auf gute Gespräche!

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